
Der Deutsch-Finnische Chor in Helsinki besteht seit 1970 und zählt zur Zeit etwa 40 Sängerinnen und Sänger. Chorleiterin ist seit 2018 Agnes Goerke.
Der Deutsch-Finnische Chor ist in der Absicht gegründet worden, deutsche Sprache und Kultur durch Musik in Finnland bekannt zu machen, und, wie sich später auf Reisen ergab, auch finnische Sprache und Kultur in Deutschland und im Ostseeraum. Nach wie vor ist der Gebrauch der deutschen Sprache in den Proben wichtig. Das macht den Chor zu einer Besonderheit in Finnland.
Der Chor wirkt in Zusammenarbeit mit der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Gemeinde Finnlands. Er gibt mehrere Konzerte im Jahr in der Deutschen Kirche in Helsinki und tritt monatlich in den Gottesdiensten der Gemeinde auf. Er singt auch an anderen Orten in Finnland und unternimmt Konzertreisen nach Deutschland und in andere europäische Länder. Gebürtige Deutsche, die ständig oder zeitweilig im Grossraum Helsinki wohnen, machen etwa ein Drittel der Mitgliedschaft aus. Der Chor ist zweisprachig und die Proben werden in beiden Sprachen abgehalten.
Das Repertoire des Chores besteht wie zu erwarten vorrangig aus deutscher Musik, vorwiegend Kirchenmusik, z. B. Kantaten, Messen, Oratorien, Motetten, Madrigalen. Aber auch weltliche Musik von der Renaissance bis zur Moderne gehört dazu, und weiterhin Werke finnischer und estnischer Komponisten des vergangenen und unseres Jahrhunderts.

Chorleiterin
Seit 2018 ist Agnes Goerke Kantorin der Deutschen Gemeinde Helsinki und Chorleiterin der Deutsch-Finnischen Chores. Nach ihren Kirchenmusik-A-Studium in Hannover hatte sie Kantorenstellen in Burgdorf und Düsseldorf inne, bevor sie 1999 nach Finnland zog. Lehrtätigkeit, Orgel- und Kammermusikkonzerte und die Leitung von Chorprojekten in der deutschen und der anglikanischen Gemeinde standen dann im Mittelpunkt und gehören weiterhin zu ihrem Betätigungsfeld.
Frühere Chorleiter/Chorleiterinnen
Agnes Goerke 2018 –
Riitta Laine 2000 – 2018
Liisa Malkamäki 1998 – 2000
Ritta Laine 1996 -1998
Liisa Malkamäki 1994 – 1995
Ari Häyrinen 1991 – 1994
Liisa Malkamäki 1986 – 1991
Ahti Kuorikoski 1982 – 1985
Seppo Murto 1981 – 1982
Jarmo Kokkonen 1980 – 1981
Erkki Pullinen 1974 – 1980
Kurt Manschke 1970 – 1974
Fünfzigjähriges Jubiläum des Deutsch–Finnischen Chores im Jahre 2020
50 Jahre Geschichte des Chores
Der Anfang war bescheiden: seit 1964 gab es eine Vorstufe, ein von Kati – eigentlich Irmgard Pennanen gegründeter kleiner Chor, der sich ”Singkreis” nannte. Dieser bestand aus 15-20 jüngeren Frauen, die sich im Goethe-Institut zum Singen von Liedern, vor allem Volksliedern, trafen, einfach weil es ihnen Spass machte. Im Jahr 1966 wurde Gertrud Johannsen Leiterin des Singkreises, weil Kati Pennanen im Mutterschaftsurlaub ging.
Von der eigentlichen Gründung und Anfangszeit des Deutsch-Finnischen Chors berichtet Oberstudienrat Kurt Manschke, der Gründer und erste Leiter des Chors: ” Nachdem ich als Lehrer an die Deutsche Schule gekommen war, wurde ich von der Gemeinde gebeten, einen Kirchenchor zu leiten.” Es gab offensichtlich schon Sänger des Singkreises, die sich zur Kirchenmusik hingezogen fühlten und in Gottesdiensten mitgewirkt haben. Auf diese konnte Kurt Manschke zurückgreifen. Er fährt fort: ”Der Chor bestand erst einmal aus etwa 12 Mitgliedern. Wir haben einige Zeit einfach zusammen gesungen und uns gefragt, was wir in Zukunft machen sollten. Nach einigen informativen Gesprächen habe ich dann dem Kirchenvorstand den Vorschlag gemacht, Mitglieder für einen freien deutsch-finnischen Chor zu werben, der für den geistlichen Teil seiner Musik in der Deutschen Gemeinde zu Hause sein, der Gemeinde also ständig zur Verfügung stehen sollte. Der Kirchenvorstand stimmte dem Unternehmen zu und war bereit, ihn finanziell zu unterstützen.”
Eingeladen wurde zur ersten Probe für den 18. November 1970. In der Einladung hieβ es: ”Mit Unterstützung der Deutschen Gemeinde, der Deutsche Schule und des Goethe Instituts und mit der Förderung der Kulturreferenten der Österreichischen und Schweizerischen Botschaften und der Handelsvertretung der Bundesrepublik Deutschland (später die Deutsche Botschaft) soll in Helsinki ein deutschsprachiger Chor gegründet werden.” Zur ersten Probe erschienen etwa 50 Teilnehmer. Die Zahl hielt sich eine Zeit lang bei circa 40 Sängerinnen und Sängern, danach schrumpfte sie allmählich auf 30, um wiederum in den letzten 10 Jahren leicht anzusteigen.
Der Deutsch-Finnische Chor wurde in der Absicht gegründet, deutsche Sprache und Kultur durch Musik in Finnland bekannt zu machen und, wie sich später auf Reisen ergab, auch finnische Sprache und Kultur in Deutschland und im Ostseeraum vorzustellen. Ein wichtiger Faktor ist auch der Gebrauch der deutschen Sprache bei den Proben.
Eine heiβe Debatte über die Richtung, die der Chor in Zukunft einschlagen sollte, fand bereits zu Kurt Manschkes Zeiten statt. Vorsitzender Einig hatte die Absicht, einen Oratorienchor aus ihm werden zu lassen. Andere wollten sich lieber mit einfacheren Liedern von der Arbeit erholen. Der Chor schlug in Folge meist einen Mittelweg ein – allerdings hatte er auch einmal die Gelegenheit zu beweisen, dass Herrn Einigs Idee nicht ganz utopisch war.
Die früheste geistliche Abendmusik des Chors, deren Programm noch auffindbar ist, fand am 18.4.1971 statt. Drei Jahre später dirigierte Kurt Manschke sein Abschiedskonzert mit der Messe in G-Dur von W.A.Mozart.
Manschkes Nachfolger als Chorleiter wurde Erkki Pullinen von der Sibelius-Akademie, der mit seiner profunden Repertoire-Kenntnis dem Chor viel gegeben hat. Seitdem, bis heute, hat der Chor auch zwei weibliche Tenöre. Insgesamt machte der Chor einen deutlichen Sprung vorwärts. ”Unruhig wedelt ein rechter Arm durch die Luft, nervös suchen die flattrigen Finger nach dem besten Takt, wenn sie ihn gefunden haben, freut er sich königlich” schilderte Vikar Jürgen Schulz Februar 1975 den sensiblen Künstler. Zu Pullinens Zeiten verlegte der Chor auch seinen Probenort von der Deutschen Schule in den Gemeindesaal.
Als Pullinen 1979 das Amt des Chorleiters abgab, kam der Chor an einen Tiefpunkt und die Frage kam auf, ob er aufgelöst werden solle. Da ergriff der Vorsitzende Heinrich Bremer die Initiative, ging zum Kirchengemeinderat und hielt dort eine Verteidigungsrede, die offensichtlich Eindruck machte. Er resümierte: ”Ich bin immer noch überzeugt, dass ich damals den Chor gerettet habe, er hätte nicht einmal sein zehnjähriges Jubiläum erlebt. Es stimmt: all die Jahre hindurch wurde der Chor von der Deutschen Gemeinde sozusagen am Leben erhalten, indem sie das Honorar des Leiters bezahlte. Dafür sang der Chor monatlich einmal im Gottesdienst, auch an gröβeren Festtagen, und gab mindestens zweimal jährlich ein Konzert in der Deutschen Kirche.” Für seine groβartige Arbeit, die Heinrich Bremer als Vorsitzender zur Förderung und Unterstützung des Chors geleistet hatte, wurde er 2012 zum Ehrenvorsitzenden des Chors berufen.
Nach Pullinen kamen im ersten Teil der 80er Jahre mehrere Chorleiter, die nur kürzere Zeit, von eins bis drei Jahren, ihr Amt ausübten: Jarmo Kokkonen, Seppo Murto und Ahti Kuorikoski. 1986 schuf die Gemeinde eine feste Kantorenstelle, die zuerst Liisa Aho-Pynttäri, nach ihrer Heirat Malkamäki, innehatte (1986 – 2000). Sie übernahm auch die Leitung des Chors. In ihrer Zeit machten aber auch Ari Häyrinen (1991-1994) und Riitta Laine (1996-1998) Vertretung während des Mutterschaftsurlaubs von Malkamäki.
Die nächste Kantorin und Chorleiterin war Riitta Laine (2000-2017). Mit Ausdauer und Begeisterung brachte sie uns Chorsänger zu Konzertleistungen, die uns an die Grenzen unseres Könnens führten. Sie war ehrgeizig als Musikerin und strebte, wenn nicht Perfektion, so doch wenigstens ständige Verfeinerung unserer Gesangsleistung an. Frühling 2017 ereilte Riitta plötzlich eine unvorhersehbare Krankheit, die schlieβlich im Herbst 2018 ihre Lebensflamme zum Verlöschen brachte.
Seit Herbst 2017 ist Agnes Goerke unsere Chorleiterin, zunächst als Krankheitsvertretung von Riitta Laine, ab Herbst 2018 als fest angestellte Kantorin der Deutschen Gemeinde und Chorleiterin. Wie Riitta, hat auch sie uns hohe Ambitionsziele gesetzt. Deshalb war es wesentlich, in den letzten Jahren für uns Chorleute Fortbildungskurse für Stimmbildung zur Schulung unseres Singvermögens zu organisieren. Das wirkte sich fruchtbar auf die Programmwahl und das Niveau der Konzerte aus. So haben wir gewagt, immer anspruchsvollere Kantaten und Messen in unser Repertoire aufzunehmen – vor allem das “Requiem“von W.A.Mozart im März 2016, Reformationskantaten von J.S. Bach im Herbst 2017 und die “Messe in f“ von J. Rheinberger und die Hymne “Hör mein Bitten“ von F. Mendelssohn-Bartholdy Herbst 2018. Für unsere Konzerte zum fünfzigjährigen Jubiläum im April 2020 haben wir eine ganz neue Art von Musik ausgewählt: die Messe “Misa a Buenos Aires“ des zeitgenössischen argentinischen Komponisten M. Palmeri, dessen Werk von Tangorhythmen durchzogen ist.
Die Konzertreisen des Chors stellten schon seit den 70-Jahren ein wichtiges Element dar, denn sie stärken neben ihren musikalischen Höhepunkten den Zusammenhalt und den Gemeinschaftsgeist des Chors. Während der 50 Jahre seines Bestehens hat der Chor 21 Konzertreisen ins Ausland unternommen. Die meisten Reisen führten nach Deutschland, aber auch ins Baltikum, nach Schweden, Holland, Russland, Österreich und Frankreich. Alle unsere Reisen basierten auf einer Einladung durch ausländische Chöre, Kirchengemeinden oder andere Organisationen, immer wieder auch angeregt durch Kontakte unserer Chorleiterinnen und -leiter oder von Chormitgliedern.
In all diesen Ländern wurden wir von unseren Gastgebern äuβerst freundlich empfangen, und die meist zahlreichen Zuhörer gaben uns ermutigende Rückmeldungen. Nach dem Konzert in der Spandauer Kirche in Berlin 2010 zum Beispiel, als wir mit U. Sisaks “Deo gratias“ unser Programm abschlossen, meinte ein katholischer Priester: „Danke für dieses himmlische Singen!‘ Einige ausländische Chöre machten auch anschliessend einen Gegenbesuch zu uns nach Helsinki: 1993, 1998 und 2012 kam der Deutsch-Russische Chor aus St.Petersburg, 2017 der Chor Desidela aus Wintzenheim im Elsaβ und 2019 der Kissi-Chor aus Berlin. Unsere bislang letzte Chorreise im September 2019 führte uns nach Berlin und anschliessend nach Wittenberg, wo wir in der Stadtkirche auftraten – der Ort, wo Martin Luther über 2000 Mal gepredigt hat.
Ausser in der Deutschen Kirche Helsinki hat der Chor in Finnland etwa 60 Mal in anderen Städten und Orten in Kirchen, Altenheimen, Krankenhäusern usw. gesungen. Dazu unternimmt der Chor seit 2005 jährlich eine Reise nach Turku, um im vollbesetzten Turkuer Dom mit dem Publikum deutsche Weihnachtslieder zu singen. Insgesamt hat der Chor bei über 300 verschiedenen Veranstaltungen mitgewirkt.
Die Zusammenarbeit zwischen Gemeinde und Chor ist durch all die Jahrzehnte bis heute lebendig und fruchtbar geblieben. Das Singen des Chors einmal monatlich im Gottesdienst und bei anderen Festtagen, wie auch unsere zweimal im Jahr stattfindenden Konzerte, ist ein wichtiger Teil des Musiklebens der Gemeinde. Und die Unterstützung der Gemeinde ist weiter eine unverzichtbare Bedingung für das Weiterleben des Chors. Dafür sind wir dankbar!
Manchmal würden wir uns für einen normalen Gottesdienst mehr Besucher wünschen, dann wenn Sänger- und Teilnehmerzahl sich die Waage halten. Aber mit diesem Wunsch stehen wir ja nicht alleine da. Manchmal wurden von seiten der Gemeinde die Kosten von Solosängern und Orchester für die Konzerte verständlicherweise kritisiert. Deshalb sind wir froh, dass dem Chor auch finanzielle Unterstützung von aussen zukommt. Dafür hat sich der Chorvorstand in letzter Zeit eingesetzt.
Der Chor besteht heute aus etwa 40 Mitgliedern. Diese haben fast immer irgendwelche Verbindungen zu Deutschland, der deutschen Sprache und Kultur oder persönliche Kontakten mit Deutschen. Etwa ein Drittel der Mitglieder haben Deutsch als Muttersprache. Die Mehrheit besteht aus Finnen, die Deutsche Schule in Helsinki besuchten oder eine Zeit lang in Deutschland gewohnt haben oder mit Deutschen verheiratet sind. Auch gehören immer wieder Sänger anderer Nationalitäten zu uns. Bei anspruchsvollen Aufführungen bekommen wir für das Konzert unterstützende Stimmen.
Insgesamt haben Hunderte von Personen während dieser 50 Jahre im Chor mitgewirkt. Einige eine längere, andere eine kürzere Zeit. Durchgehend gab es immer eine Kerngruppe, die viele Jahre, sogar Jahrzehnte, dem Chor die Stange gehalten haben. Vier Sängerinnen und Sänger sind unter uns, die ihm über 40 Jahre treu geblieben sind. Allerdings ist die Anzahl derjenigen hoch, die nur vorübergehend mitsingen können. Zu dieser Gruppe zählen typischerweise Studierende, Praktikanten, aus Deutschland entsandte Lehrer der Deutschen Schule oder Leute, die sich aus beruflichen Gründen einige Jahre in Finnland aufhalten.
Nicht alle Chormitglieder sind Mitglieder der Deutschen Gemeinde, sondern werden zu uns gelockt aus Liebe zur Musik, wobei dies auch eine Offenheit für geistliche Chormusik mit einschliesst. Der Chor ist ein Kreis von Musikfreunden, in dem man sein Singvermögen üben und entwickeln kann, wo man sich aber auch wohlfühlt und die gute Zusammenarbeit und angenehme Atmosphäre geniesst. Doch kann man auch davon ausgehen, dass für alle Sänger, sind sie nun Mitglieder der Kirchengemeinde oder nicht, deren warme Ausstrahlung prägend ist und ein Zugehörigkeitsgefühl zu ihr im engeren oder weiteren Sinn besteht. In dieser Hinsicht können wir mit Vertrauen in die Zukunft blicken, sowohl für den Weiterweg unseres Chors, als auch für unsere Verbindung mit der Gemeinde.
22.2.2020, Alpo Kuparinen
mit sprachlicher Unterstützung von Dorothea Grünzweig. Den Abschnitten zu den Jahren 1970-2010 liegen Texte des langjährigen Vorsitzenden, Heinrich Bremer, zugrunde. Auch danke ich Kati Pennanen für ihre Erinnerungen an die frühen Jahre des Chores.